Das Volk des Pachacamac

PG

Inhalt: Ein fremdes Volk entführt Jonas und dem Team bleibt nur wenig Zeit für eine rettende Idee…

Anmerkung: Ich wollte schon lange eine Geschichte zu dieser Thematik schreiben und den Anfang habe ich schon vor zwei Jahren geschrieben. Auf JoJas dringende Bitte hin, habe ich mich endlich dran gemacht und das nicht bereut. Die Namen entstammen alle der südamerikanischen Mythologie und sind manchmal schwer zu lesen, ich hoffe das stört den Lesefluß nicht zu sehr. Danke an meine leibe Beta JoJa und auch hier die Einladung in mein Gästebuch, denn ich freue mich über Feedback gerade zu dieser Geschichte. 

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Jack drückte den Sendeknopf.

„Major?“

 „Ja, Sir?

„Haben Sie Jonas gesehen? Er wollte längst hier sein.“

„Nein, Sir. Hat er sich nicht über Funk gemeldet?“

„Negativ! Kein Mucks.“

„Das sieht ihm gar nicht ähnlich.“

„Sehe ich auch so.“

„Die Mineralien in den Felsen hier ...nun; sie könnten die Funkübertragung stören.“

„Wann ist er bei Ihnen los?“

„Vor zwei Stunden. Sie haben Recht, er müsste Sie längst erreicht haben.“

„Das gefällt mir nicht.“ O´Neill drehte sich zu Teal´c um. Dieser zog fragend seine linke Augenbraue hoch. Frustriert griff er wieder zum Mikro. „Carter. Wir kommen zu Ihnen.“

„Ja. Sir.“

Sie waren vor zwei Tagen hier angekommen. P7X-445 war ein ziemlich öder Planet, kaum Vegetation. Müsste O´Neill ihn charakterisieren, würde er ihn als ziemlich heiße Steinwüste beschreiben. Hier war einfach gar nichts, nur Felsen und zwei ziemlich helle Sonnen, aber die Aufklärungssonde hatte eine hohe Naquadahkonzentrationen in den Hügeln entdeckt. General Hammond hatte eine Aufklärungsmission angeordnet, um die Abbaubarkeit zu überprüfen. Sie hatten ihr Lager ca. zwei Stunden vom Stargate entfernt aufgebaut. In den letzten zwei Tagen hatten Sam und Jonas zahlreiche Untersuchungen vorgenommen.

O´Neill und Teal´c hatten derweil die Gegend erkundet, was sollte man hier auch sonst machen? Dieser Planet war einfach fade, nur Geröll und schroffe Felsen. Sie waren zum Stargate marschiert um den General zu kontaktieren. Hammond hatte ihnen weitere Ausrüstung zugesandt. Sam benötigte sie für ihre Untersuchungen und bei ihrer Abreise hatte SG-14 sie noch im Gebrauch gehabt. O´Neill hatte Jonas zur Hilfe gerufen, denn alleine hätten sie diese Geräte nie über die unwirtlichen Felsen gekriegt.

„Ok. Teal´c, wir lassen das Zeug erst mal hier. Er sah sich noch einmal in der trostlosen Gegend um. „Wird schon keiner klauen. Ich versteh das nicht. Wo steckt er bloß?“

„Vielleicht ist er gestürzt O´Neill .“

„Möglich.“ Jack griff noch einmal zum Mikro. „Jonas. Melde Dich!“

Er wartete. Nichts! „Verflucht!“ Er schnappte sich seinen Rucksack und seine Waffe. Vielleicht fanden sie ihn auf dem Weg zurück. Irgendwie glaubte Jack nicht an eine Fehlfunktion der Funkgeräte. Zwar war der Empfang auf diesem Planeten oft gestört, aber meist nur für wenige Sekunden.

***

Jonas hörte wie aus weiter Ferne die Stimme des Colonels, unfähig zu realisieren woher sie kam. Ihm war schlecht. Fürchterlich schlecht und ihm war heiß, sehr heiß und sein Kopf tat weh. Ganz langsam hatte er das Gefühl wieder Gewalt über seinen Körper zu bekommen und jetzt wurde ihm auch klar, dass er am Boden lag. Er lag auf einem Felsen, Steinchen drückten sich schmerzhaft in seine Wange.

 

Vorsichtig zog er seinen linken Arm unter seinen Körper hervor und führte ihn langsam zu seinem Gesicht. Mit zittriger Hand betastete er seine linke Wange und zog die Hand zurück, als ein Schmerz seine Wange durchzuckte. An seiner Hand klebte Blut.

 

Noch immer verstand er nicht, warum er am Boden lag. Die Sonne brannte ihm ins Gesicht. Er versuchte, langsam die Augen zu öffnen, doch die Sonne stach ihm schmerzhaft in die Augen. Er versuchte sich weg zu drehen, als eine neue Welle der Übelkeit ihn erfasste. Ein rasender Schmerz durchzuckte sein rechtes Bein und für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen.

Als sich sein Blick wieder klärte, hob er den Kopf und versucht einen Blick auf sein Bein zu werfen. Es war seltsam verdreht, sein Bein schien halb im Boden zu stecken und er sah Blut an seiner Hose. Er stützte seinen rechten Arm auf und drückte sich vorsichtig hoch, immer mit einer neuen Schmerzwelle rechnend.

 

Sein Bein steckte bis zur Hälfte des Unterschenkels in einem Steinloch. Als Jonas endlich aufrecht saß, begann er vorsichtig am Stoff der Hose zu ziehen. Sofort traf ihn eine erneute Schmerzwelle und für den Moment blieb ihm die Luft weg, doch dieses mal war er darauf vorbereitet gewesen.

 

Mit der linken Hand nestelte er an seinem Gürtel und zog sein Messer heraus. Er musste sehen was unter der vom Blut dunkel gefärbten Hose war. Vorsichtig setzte er das Messer an und schnitt in den Stoff. Er durchtrennte den unteren Saum und begann den Stoff hoch zu ziehen.

 

Wieder begann er zu würgen. Sein Bein war definitiv gebrochen. Der Unterschenkelknochen hatte sich auf halber Höhe verschoben und an der Stelle war das Bein bereits stark geschwollen und verfärbt. Aber das eigentlich schlimmste befand sich etwas tiefer.

 

***

 

Sam schaltete die Sensoren ab. Sie konnte sich jetzt nicht darauf konzentrieren. Besorgt blickte sie in Richtung Osten. Dorthin war Jonas verschwunden. Als O´Neill seine Hilfe verlangt hatte, schnappte er sich seine Flasche und seinen Rucksack und hatte sich mit seinem typischen, offenen Lächeln auf den Weg gemacht. Die von Sam benötigten Instrumente waren recht sperrig und sie konnte sich vorstellen, dass der Colonel Bedenken hatte, sie zu zweit zu transportieren. Dafür war das Gelände zu unwirtlich. Schroffe Felsnadeln lösten sich mit Geröllfeldern ab. Jeder Schritt daneben konnte zu einem Absturz führen.

 

Der Weg bis zum Stargate war da noch recht angenehm. Ein kleiner Pfad schlängelte sich durch die Felsen. Die einzige Gefahr bestand sich an den verschiedenen Gabelungen zu verirren. Aber Jonas war ein extrem cleveres Kerlchen, sie glaubte nicht, dass er sich verirrt hatte.

 

Doch irgendwo musste er stecken. Sie hatten bis auf die Pfade, die sie jedoch Tieren zuschrieben, keine Anzeichen für alte Kulturen gefunden. Sam hatte einmal ein paar Tiere gesehen. Sie war sich sicher, dass es Ziegen gewesen waren und diese konnten nur von der Erde stammen. Eine Zivilisation hatten sie jedoch nicht entdeckt, jedenfalls nicht in der Nähe des Stargates und das UAV hatte auch nichts entdecken können. Daher hatten sie sich alle recht sicher gefühlt.

 

O´Neill hätte ansonsten auch nie zugelassen, dass Jonas sie ohne Rückendeckung zurück ließ. Aber dies war jetzt wohl nicht mehr das Problem. Sie sah Jonas vor sich, als er ihr noch mal zugewinkt hatte. Dieser junge Mann war unglaublich. Er schien immer gut gelaunt zu sein. Und zwischen zwei Lächeln löste er mal eben irgendwelche komplexen wissenschaftlichen Probleme.

 

Sam faszinierte immer wieder, wie schnell Jonas Zusammenhänge erfassen konnte. Er lernte mit einer unglaublichen Geschwindigkeit.

 

Sie hatte am Anfang Bedenken gehabt, aber Jonas hatte sich gut ins Team eingefügt. Er würde Daniel nie ersetzen. Das konnte niemand! Aber er erfüllte seine Aufgaben und steuerte dem Team seine ganz eigene, manchmal etwas naive, Sicht der Dinge bei.

 

Der Colonel hatte sich da schwerer getan. Sam wusste, dass es eigentlich nicht an Jonas lag. Vielmehr hatte O´Neill dem jungen Mann die Schuld für Daniels Tod, oder wie auch immer man das nennen sollte, gegeben. Schließlich war der Unfall in seinem Beisein passiert. Doch Teal´c, Hammond und auch Sam hatten ihn immer wieder beeinflusst, Jonas eine Chance zu geben. Was er dann auch tat. Freiwillig oder nicht. Innerlich musste sie schmunzeln. Der Colonel hätte alles getan, um zu verhindern, dass ein Russe Teammitglied wird.

 

Sie seufzte und schaltete die Sensoren wieder ein. Es half nichts. Sie musste warten, da konnte sie auch weiterarbeiten. Um so eher waren sie von diesem Planeten wieder verschwunden. Innerlich hatte sie ihn Cake getauft. Irgendwie erinnerte sie das staubige Klima hier an den trockenen Kuchen ihrer Tante Mildred. Ja, Cake war ein passender Name.

 

***

 

Eine Falle! Der Gedanke schoss Jonas durch den Kopf. Ich bin in eine Falle getreten. Vier dunkle, spitze Metallstifte steckten in seinem Knöchel. Sie waren ungefähr fingerdick und zehn Zentimeter lang. Zwei von ihnen hatten auf der einen Seite die Haut durchstoßen, die beiden anderen steckten tief im Fleisch. Jonas wurde schwindelig. Immer neue Schmerzwellen durchzogen sein Bein.

 

Mit einem Stöhnen ließ er sich auf den Rücken sinken. Eine Falle! Er konnte sich nicht erinnern in dieses Loch getreten zu sein. Vermutlich war er gestürzt und mit dem Gesicht aufgeschlagen. Das würde die Bewusstlosigkeit erklären. Der Mechanismus schien einfach. Er tritt rein und der Ring aus Stahlpfeilen schließt sich. Einfach aber wirkungsvoll. Das Bein musste er sich zusätzlich bei dem Sturz gebrochen haben.

 

Er richtete sich vorsichtig wieder auf. Trotz seiner Übelkeit zog er die Hose erneut hoch. Vorsichtig betastete er die Spitzen. Sein erster Eindruck war richtig gewesen, sie waren aus Metall. Wie sollte hier etwas aus Metall hinkommen, vielleicht war der Planet doch bewohnt? Oder es war eine Hinterlassenschaft von längst weitergezogenen Jägern? Er nestelte an seinem Rucksack. Er musste die Blutung stoppen. Mit fahrigen Händen öffnete er den Rucksack und zog das Medopack heraus.

 

Er riss ein Verbandspäckchen auf und versuchte die blutende Wunde damit abzudecken. Schmerzen durchzuckten das Bein. Er musste etwas gegen die Schmerzen tun. Das Notfallset enthielt auch zwei Schmerzspritzen. Er zog einer heraus und presste sich die Injektionsnadel in den Oberschenkel. Er brauchte Hilfe! Das Funkgerät. Hektisch griff er danach und griff ins Leere.

 

***

 

Ein Augenpaar verfolgte jeder der Bewegungen des Verletzten. Mit weit aufgerissenen Augen sah er ihn agieren. Er hatte noch nie solch ein Wesen gesehen. Seine Haut war so hell und er trug seltsame Kleidung.  Noch nie hatte der junge Mann sich soweit von seinem Dorf entfernt. Doch dies war Teil seines Initationsritus. Er musste allein bestehen und sich auf seine Suche begeben.

 

Vielleicht war seine Suche hier beendet. Er musste dem Priester sagen, was er hier gefunden hatte. Yupanqui  und die anderen waren nicht weit entfernt. Während der Rituale entfernten sich die jungen Männer und die erfahrenen Krieger mit dem Priester vom Dorf und wanderten zu diesen Bergen, zum Huaca. Sie waren heilig. Er hatte sich weiter entfernt, als er vorgehabt hatte. Er warf einen letzten Blick zu dem am Boden liegenden Wesen und wandte sich um. Er hatte seine Suche beendet. Mit diesem Fund würde er in die Riege der Männer aufgenommen werden. Sein Gott würde ihm wohlwollend beistehen in seinem Leben. Er würde sein Haar knoten dürfen.

 

Damit rannte er los.

 

***

 

Sie waren noch nicht lange unterwegs. Allerdings war dieses das schwerste Stück des Weges. Steil wand sich ein kleiner Pfad den Berg hinauf. Der Marsch mitten durch die Sonne zerrte an ihren Kräften. Colonel O´Neill verharrte kurz und sah hinauf zur Kuppe. Noch ungefähr 50 Meter und sie hatten den Aufstieg hinter sich. Mit der Linken wischte er sich den Schweiß aus der Stirn während er mit der Rechten zum Funkgerät griff.

 

„Jonas! Können Sie mich hören? Hier ist O´Neill.“

 

Nichts. Funkstille. Nur ein leichtes Rauschen zeigte an, dass das Gerät überhaupt funktionierte.

 

„Verflucht, Jonas... wo stecken Sie? Melden Sie sich!“

 

„Wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, hätte er geantwortet.“

 

Frustriert ließ Jack das Mikro sinken. „Ich weiß, Teal´c. Ich weiß. Irgend etwas stimmt hier nicht und wir werden herausfinden, was es ist.“ Damit nahm er den Kampf mit der Steigung wieder auf. Innerhalb der nächsten zwei Stunden würden sie ihn finden. Dann wüssten sie, was geschehen war. So oder so.

 

***

 

„...stecken Sie? Melden Sie sich!“

 

Jonas hörte den Colonel laut und deutlich. Doch das half ihm wenig. Das Funkgerät glänzte in der Sonne. Allerdings zu weit entfernt. Beim Sturz musste sich die Halterung gelöst haben. So lag es jetzt neben einem Felsen, kaum einen halben Meter außerhalb seiner Reichweite. Er hatte es schon versucht, aber entkräftet aufgeben müssen. Wenn er versuchte, sich zu strecken, zuckte der Schmerz durch sein Bein. Das Schmerzmittel half zwar, aber nur wenn er sich nicht bewegte.

 

Sein Blick hing an dem Funkgerät. Er konnte sich nicht allein befreien und helfen. Er brauchte Hilfe und die bekam er nur über das Funkgerät. Zumindest vermissten sie ihn schon, aber Jonas war etwas vom Weg abgewichen, da er eine Bewegung gesehen hatte, daher hatte er einen Seitenpfad genutzt. Es war unwahrscheinlich, dass sie hier nach ihm suchten. Zumindest würde es länger dauern, ihn zu finden.

 

Er griff zu seinem Rucksack. Er musste an das Funkgerät herankommen. Hektisch wühlte er in seinem Gepäck und zog schließlich eine große Kladde heraus. Sie hatte zwei stabile Pappdeckel und enthielt seine Aufzeichnungen. Er riss sie am Rücken auseinander und kramte erneut in seiner Tasche, immer darauf bedacht sein Bein nicht zu bewegen.

 

Es dauerte fast zehn Minuten. Er hatte die beiden Pappen mit Draht an einander befestigt, so dass der Deckel nun doppelt so lang war. Er hoffte das Ganze war stabil genug. Er drehte sich wieder zum Funkgerät und streckte sich, soweit sein verletztes Bein es zuließ. Als er fast nicht mehr aushielt, schob er die Pappe über den sandigen Boden, immer näher an das kleine Gerät. Vorsichtig schob er es in den Sand unterhalb des Funkgerätes. Er hielt den Atem an, als es noch weiter nach hinten zu rutschen schien.

 

Nun begann er vorsichtig die Pappe zurück zu ziehen. Der Sand und das darauf liegende Funkgerät näherten sich und als er es nah genug heran gezogen hatte, griff er zu. Eine falsche Bewegung, wie ihm ein stechender Schmerz vor Augen führte. Jonas schnappte nach Luft. Er konnte nicht mehr. Er spürte wie er langsam die Besinnung verlor. Er musste um Hilfe rufen. Er hielt sich das Mikro vor das Gesicht. Seine Hand war blutverschmiert und voller Sand, sie zitterte und er hatte Probleme den Knopf zu drücken.

 

„Hier Jonas. Colonel. Hö... hören Sie mich?“ Er erschrak ein wenig vor seiner Stimme. Selbst seine Stimme hatte keine Kraft mehr.

 

***

 

Zuerst hörte er nur ein Krächzen, dann wurde die Stimme im Funkgerät klarer. „...onas. Col...el. Hö... hören Sie mich?“

 

O´Neill griff sofort zum Mikro. Endlich ein Signal, auch wenn der Empfang schlecht war. Jonas hörte sich nicht gut an. Fast hätte er seine Stimme nicht erkannt.

 

„Jonas. Wo sind Sie? Was ist passiert?“ Er ließ den Sendeknopf wieder los und lauschte. Der Jaffa hatte inzwischen aufgeschlossen und sah seinen Freund skeptisch an. Es dauerte einen Moment.

 

„Ich ...in abgezweigt und dort in ...ne Falle getreten. Mein Bein ist gebro... Ich...“

 

„Jonas. Können Sie das wiederholen?“ Jack gab Teal´c ein Zeichen ihre Position zu verändern und den Hang hinaufzuklettern. Vielleicht war der Empfang dort besser. Doch was er bisher verstanden hatte, bereitete ihm Sorgen. Jonas war verletzt und seine Stimme klang mehr als schwach. Irgendwie glaubte er nicht, dass es nur um ein einfaches gebrochenes Bein ging. „Jonas?! Verstehen Sie mich jetzt besser?“

 

„Ja, Colonel.“ Jack nickte zufrieden mit dem Kopf. „Ich bin vom Weg abgezweigt, weil ich eine Bewegung gesehen hatte. Dann bin ich...“ Die Stimme hielt kurz inne.

 

„Jonas? Sind Sie noch da?“

 

„Ja. Colonel, aber mir wird immer wieder schwarz vor Augen. Ich bin gestürzt und in dieses Loch getreten. Ich komme hier nicht mehr raus. Es steckt in meinem Bein.“ Bei diesen Worten blickte er alarmiert zu dem Jaffa hinüber. Er hatte richtig geahnt, kein einfacher Beinbruch. „Ich ...“

 

„Hey, Jonas, bleiben Sie bei uns, nicht ohnmächtig werden. Sie müssen uns erst sagen, wo Sie sind.“ Stille folgte diesem Satz. „Jonas!!“

 

„J...ja, ich bin hier.“

 

„Wo sind Sie?“

 

„Da ... ja, da war ein Berg. Ungefähr auf halber Strecke. Der Weg gabelte sich und ich ging links in dieses kleine Tal und ... ich weiß nicht. Ich kann mich nicht genau erinnern.“

 

„Schon gut, Jonas. Wir kommen zu Ihnen. Sie müssen nur wach bleiben. Ist das klar. Bleiben Sie wach! Carter kommt von der anderen Seite. Carter? Haben Sie mitgehört?“

 

„Ja. Sir. Ich bin schon unterwegs.“

 

„Also gut, Jonas, wir kommen.“ Jack nickte dem Jaffa zu. „Beeilen wir uns. Das hört sich nicht gut an.“

 

„Da stimme ich dir zu O´Neill.“ Jack begann seine Schritte zu beschleunigen. Sie mussten sich beeilen. Selbst im Laufschritt würden sie mindestens noch 45 Minuten brauchen. Nur, dass hier kein Laufschritt möglich war. Er wollte nicht riskieren, sich auch noch ein Bein zu brechen. Er fragte sich kurz, was Jonas wohl bewogen hatte, diesen Weg einzuschlagen. Doch dann tat er den Gedanken als unwichtig ab.

 

***

 

Jonas hatte die Augen geschlossen und versucht seinen Atem zu beruhigen. Am Ende des Funkkontaktes war er erschöpft gewesen. Die Hitze tat ihr übriges, er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er merkte nicht, wie er sich das Blut verwischte. Jonas merkte auch nicht die Augenpaare, die ihn beobachteten. Sie sahen gebannt zu ihm hinüber.

 

Sein Mund war ausgetrocknet und er öffnete die Augen und griff zur Wasserflasche. Aus den Augenwickeln gewahr er ein Huschen. Jonas hielt in der Bewegung inne. Vielleicht war das, was ihn zu diesem abgelegenen Platz geführt hatte, noch da. Er schraubte die Flasche mit einer langsamen Bewegung auf und suchte mit seinen Augen vorsichtig die Felsen ab. Als er die Flasche ansetzte und einen Schluck nahm, sah er sie. Hände! Sie umfassten einen kleinen Vorsprung.

 

Dahinter musste sich ein Mensch befinden. Kein Tier wie er eigentlich vermutet hatte. Jonas schloss die Flasche und behielt die Stelle aus den Augenwinkeln im Blick. Dann griff er in den Rucksack und holte seine Kamera hervor, während er gleichzeitig zum Funkgerät griff. Irgendwer musste diese Falle ja aufgestellt haben.

 

„Ähm... Colonel O´Neill?“

 

„Jonas. Alles klar bei Ihnen?“

 

„Wie man es nimmt, Colonel. Ich denke, ich bekomme Gesellschaft.“ Jonas drückte den Aufnahmeknopf der Digitalkamera. Er wusste, alles was jetzt passierte, würde aufgezeichnet werden. Er schob die Kamera neben einen der Felsen und in dessen Schatten. Ein Schmerz durchzuckte erneut seinen Fuß und Jonas zog zischend die Luft ein. Er durfte nicht das Bewusstsein verlieren. Nicht jetzt!

 

„Wer, Jonas?“ Die Sorge in der Stimme des Colonels war unüberhörbar...“Jonas! Antworten Sie!“

 

Jonas hörte den Colonel, doch seine Aufmerksamkeit galt den Männern, die sich ihm nun näherten. Es waren fünf, nein sechs, und sie hielten Speere in ihren Händen. Sie kamen von allen Seiten auf ihn zu. Ihre Haut war dunkel. Er hatte Bilder von den Völkern Südamerikas gesehen. Diese Männer hatten die gleichen Gesichter. Sie trugen nur einen Lendenschurz aus Stoff und dazu viel Schmuck. In ihre schwarzen Haare waren bunte Bänder und Perlen eingewebt.

 

Sie hielten ihre Speere in seine Richtung und schienen nicht sicher was sie tun sollten. Sie waren alle sehr jung.

 

„Jonas!“

 

Ganz langsam drückte er den Sendeknopf. Er hoffte die Bewegung blieb den Fremden verborgen. Während er weiterhin jede Einzelheit der sechs Männer in sich aufnahm überlegte er fieberhaft, was er tun konnte. Es handelte sich eindeutig um eine südamerikanische Kultur. Er hatte Aufzeichnungen von Dr. Jackson eingesehen. Darin ging es um einen Mayatempel. Die Bilder in diesem Bericht zeigten ebenfalls Menschen wie diese. Sie trugen Pflöcke in den Ohren und Perlenschmuck um den Hals. Sie alle trugen die Haare offen, bis auf einen.

 

Dieser Mann war älter und er hielt direkt vor Jonas inne und sah ihn mit abfälligen aber zugleich fasziniertem Blick an.

 

„Chimalpopoca! Huaca!“ Der Priester scheuchte mit einer Armbewegung einen der jungen Männer nach vorn. Zögerlich trat dieser mit einem Messer in der Hand vor. Angst zeichnete sein Gesicht und Jonas fragte sich was das ganze sollte. Der junge Mann umkreiste ihn. Jonas versuchte den Blickkontakt zu halten, aber eine unvorsichtige Bewegung sandte wieder Schmerzwellen durch sein Bein und die Szenerie vor seinen Augen begann sich in einem Schwindelanfall zu drehen. Noch immer hielt er den Sendeknopf gedrückt, als wäre es der einzige Rettungsanker für ihn.

 

Wie durch Watte sah er, wie sich der junge Mann seinem Bein in der Falle näherte. Als dieser die Hand mit dem Messer ausstreckte geriet Jonas in Panik... „Nein, bitte.“ Er hob abwehrend die Hände. „Nicht.“ Der junge Mann sah ihn ernst an. Plötzlich riss der junge Krieger den Arm hoch und schlug ihn mit dem Knauf des Messers an die Schläfe.

 

Jonas Blick verdunkelte sich endgültig.

 

***

 

„Jonas!“ Nichts. O`Neill und der Jaffa hechteten in einem wilden Slalom über die Felsen. „Carter, können Sie ihn noch empfangen?“

 

„Negativ, Sir. Der Kontakt ist abgebrochen.“ Auch Carters Stimme hörte sich abgehetzt an. „Ich kann nicht mehr weit entfernt sein, Sir.“

 

„Seien Sie vorsichtig, wir wissen nicht, wer diese Typen sind?“ O`Neill ließ das Funkgerät los, um sich an einem Felsen abzustützen. Er hatte nicht wirklich verstanden, was dort vorging, aber er hatte die fremden Stimmen gehört. Und er hatte Jonas verzweifeltes Flehen gehört, kurz bevor der Kontakt abbrach. Es stand außer Zweifel, dass er um sein Leben bangte. Jack fluchte innerlich. Sie waren zu leichtsinnig gewesen. Er hätte ihn nicht ohne Rückendeckung gehen lassen dürfen. Selbst wenn dieser Planet völlig verlassen gewesen wäre, es war purer Leichtsinn gewesen.

 

***

 

 

Chimalpopaca zog die Schnüre an. Er platzte vor Stolz, endlich zu den Männern zu zählen. Gleichzeitig hatte er in das ängstliche verzweifelte Gesicht dieses Mannes gesehen. Er war so anders, so besonders. Doch der Priester Yupanqui stand direkt hinter ihm, was hatte er tun können? Er wusste, die Befreiung des Beines hätte dem Mann unsäglich Schmerzen bereitet, sein Schlag war ein Akt der Gnade gewesen..

 

Diese Fallen stammten noch von ihren Vorfahren. Sein Vater war in einer solchen Falle gestorben. Sie hatten ihn erst Tage später gefunden. Die Metallzangen schlugen fürchterliche Wunden und das Auseinanderbiegen war sehr schwierig. Für den Mann war es besser gewesen, dies nicht bei Bewusstsein zu erleben.

 

„Chimalpopaca!“ Der Tonfall des Priesters war ungeduldig. Der junge Mann zog die Fesseln stramm und nickte dem Priester dann zu. Vier Männer nahmen die zwei Stangen auf und hoben damit ihr Opfer an. Der Priester schritt theatralisch auf den Jüngling zu und steckte ihm eine rote Feder in das Haar. Das erste Zeichen seiner neuen Männlichkeit.

 

Stolz streckte Chimalpopoca sich. Sein Vater wäre sehr stolz auf ihn gewesen und er konnte es nicht erwarten den Blick seines Großvaters Wichama, ihrem Häuptling zu sehen, wenn sie mit einer solchen Beute in das Dorf marschierten. Der Priester gab ein Zeichen und sie schritten gen Süden auf die Sonne zu. In Cajamarca würde es ein großes Fest geben, nur selten konnten sie ihrem Gott ein solches Opfer darbieten.

 

Pachacamac würde sie reich belohnen!

 

***

 

Sam erreichte die Weggabelung. Hier musste Jonas abgebogen sein. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Sie markierte die Stelle noch für den Colonel und Teal´c und rannte dann den linken Weg hinauf. Sie verlangsamte ihre Schritte und verharrte hinter einem Felsen. Hier musste es irgendwo sein. Sie griff zum Funk. „Colonel. Ich bin vor Ort, kann aber niemanden sehen. Ich sehe mich jetzt um.“

 

„Seien Sie vorsichtig, Carter!“

 

„Ja, Sir!“

 

Sam schlich um den Felsen herum. Vor ihr lag eine Felskuppe, umrahmt von mehren großen Felsböcken. Von außen kaum einsehbar. Am anderen Ende sah Sam Blutflecken. Von Jonas fehlte ansonsten jede Spur.

 

„Sir! Er ist weg!“ Sam schritt langsam mit entsicherte Waffe auf die Blutflecken zu. „Überall sind Fußspuren, eine große Gruppe, aber von Jonas keine Spur.“

 

Innerlich korrigierte Sam sich. Das stimmte nicht ganz. Vor ihr war ein Loch im Boden. Alles war voller Blut und sie stieß mit dem Gewehrlauf die Überreste der Falle an. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Jonas musste viel Blut verloren haben. Sam sah sich nach weiteren Spuren um.

 

„Carter. Wir brauchen noch ungefähr 20 Minuten. Bleiben Sie, wo Sie sind.“

 

Sam ging auf die andere Seite und erklomm einen der Felsen, um sich die Umgebung anzusehen. Doch sie sah gar nichts. Diese Region war so zerklüftet wie der Bryce Canyon. Mit Bitterkeit dachte sie an den Spruch, der über den Bryce Canyon existierte: Ein wundervolles Land, aber ein schlechter Platz um eine Kuh zu verlieren. Vielleicht etwas unpassend, Jonas mit einer Kuh zu vergleichen, aber vor genau dem Problem stand sie. Sie konnte gar keine Spur der Gruppe ausmachen, dabei konnte sie sie höchstens um wenige Minuten verpasst haben.

 

Sie lauschte. Auch nichts. Wer immer diese Leute waren, sie waren genauso unsichtbar wie vor diesem Vorfall. Sie musste auf Teal´c warten, er musste versuchen, den Spuren zu folgen. Frustriert kletterte sie wieder hinab.

 

Aus den Augenwinkeln erregte etwas ihre Aufmerksamkeit. Irgendetwas lag dort im Schatten der Steine. Sie griff hinunter und zog die Kamera hervor. Die Aufnahme lief noch.

 

Sie betätigte die Schaltelemente und starrte gebannt auf den Monitor. Sie sah zuerst nur die Hand von Jonas, dann kamen einige Männer ins Blickfeld. Auch Sam fühlte sich gleich an südamerikanische Kulturen erinnert.

Jonas selbst konnte sie nicht sehen. Hörte aber dessen schweren Atem. Ihre Lippe wurden zu einem schmalen Strich, als sie das Geschehen verfolgte. Die Eingeborenen hatten Jonas aus der Falle befreit und den Bewusstlosen an zwei lange Speere gefesselt. Eines wurde in Höhe seiner Kniekehlen, das andere unter seinen Achseln festgezurrt.

 

Sam verstand die Sprache nicht. Ein ältere Mann, fast alle anderen waren noch halbe Kinder, gab das Signal zum Aufbruch. Vier Krieger in Lendenschurzen hoben die Stangen an und verschwanden aus dem Blickfeld. Und mit ihnen Jonas.

 

„Carter!“ Ihre zwei Kameraden kamen den Hügel hinauf gerannt.

 

„Sir. Es sind Eingeborene.“ Sie drückte erneut auf den Wiedergabeknopf und reichte ihrem Vorgesetzten die Kamera. Teal´c umkreiste derweil den Ort des Geschehens und suchte systematisch nach Spuren.

 

***

 

Der Priester Yupanqui lächelte selbstgefällig. Der Ruhm würde auch auf ihn abfallen. Dieser Mann war etwas ganz besonderes. Seine Haare, seine Größe waren außergewöhnlich. Die Götter würden ihn groß belohnen. Sie hatten sich schon seit Generationen nicht gezeigt. Doch dies war ihre Chance, dieses Opfer konnten die Götter nicht ignorieren. Seine Macht über das Dorf würde steigen und er würde weitere Tempeldienerinnen erwählen können.

 

Er beobachtete den jungen Chamalpopoca. Dessen Blick wanderte immer wieder zu seinem Opfer und darin sah er nicht nur Stolz. Sah er dort Mitleid? Der Junge kam eindeutig nach seinem Vater. Zu weich. Yupanqui würde in ihm Auge behalten.

 

Der Blick des Priesters wanderte in die Ferne. Sie würden noch lange brauchen um das Dorf zu erreichen. Dort würde er gleich die Vorbereitungen für das Opferfest treffen. Sie durften keine Zeit vergeuden. Sie Sonne erreichte bald den höchsten Punkt des Jahres. Der ideale Zeitpunkt.

 

Yupanqui hielt inne und ließ die Kolonne an ihm vorbei um sich an ihr Ende zu setzen. Als der Gefangene vorbei getragen wurde, musste er zufrieden lächeln. Ein guter Fang. Pachacamac würde zufrieden sein.

 

***

 

„Hier entlang, O´Neill.“ Teal´c hatte die Spuren nach kurzer Zeit entdeckt, obwohl der Untergrund größtenteils felsig war. Jack fluchte innerlich. Sie mussten sich beeilen, Jonas würde diese Torturen nicht lange durchstehen, wenn er die Videoaufzeichnungen richtig einschätzte.

 

Sie kamen nur langsam voran, da sie ein bis zweimal die Spur verloren und sie mühsam wieder suchen mussten. Wer wusste, wie groß derweil ihr Vorsprung war. So eilten sie Stunde um Stunde durch die kargen heißen Felsen.

 

„Sir, wir müssen eine Pause machen.“ Carter hielt ihn am Arm und sah ihn ernst an. Die Hitze machte ihnen allen zu schaffen und auf Carters Gesicht lief der Schweiß in Strömen. „Es hilft Jonas nicht, wenn wir zusammenbrechen.“

 

„Einverstanden.“ Sie setzten sich in den Schatten eines großen Felsens. Die Spur war in der letzten Stunde sehr ausgeprägt gewesen. Die Landschaft veränderte sich und der Boden ging immer mehr in loses Geröll und Sand über. Vegetation gab es auch hier kaum. Einige dürre Sträucher trotzten der Hitze, der Rest war eine einzige trostlose Wüste.

 

„SG-1, bitte melden. Hier General Hammond, was ist bei Ihnen los? Warum haben Sie sich nicht gemeldet?“

 

„Sir, Jonas ist verschwunden.“ Starke Interferenzen begleiteten den Funkkontakt. „Anscheinend wurde er von Einheimischen entführt. Wir verfolgen sie.“

 

„Benötigen Sie Unterstützung?“

 

„Negativ, Sir.“ Jack schaute sich um. Es machte nicht viel Sinn, wenn sie auf die Verstärkung warteten, so viel Zeit hatte Jonas nicht.

 

Carter griff ebenfalls zum Mikro. „General, vielleicht könnte ein UAV bei der Suche helfen. Das Gelände ist mehr als unübersichtlich. Peilen Sie einfach unser Signal an, in dieser Richtung sind sie mit Jonas verschwunden.“

 

„Wir bereiten gleich eines vor. Hammond Ende.“ Sam konnte nur hoffen das Jonas durchhielt. Sie hatte noch immer das viele Blut vor ihren Augen. Es war einfach nicht fair, Jonas war erst seit kurzem in ihrem Team, sie wollte nicht schon wieder jemanden verlieren. Daniels Aufstieg hatte bei ihnen allen eine große Lücke hinterlassen und Jonas hatte einen schweren Stand gehabt.

 

„Sir, wir sollten weitergehen.“ Sam nahm noch einen großen Schluck aus ihrer Feldflasche und erhob sich. Hoffentlich dauerte der Marsch nicht zu lange, da sie keine großen Vorräte an Wasser und Verpflegung dabei hatten. Zu plötzlich war die Situation gekommen.

 

O´Neill nickte. Auch er war in Gedanken versunken gewesen. Er und Jonas verstanden sich nicht wirklich gut, obwohl Jonas alles tat, um es dem Colonel recht zu machen. Doch dieser war so wütend oder eher zu traurig über Daniels Verschwinden, dass er seine Wut leider viel zu oft an Jonas ausließ. „Teal´c, wo geht’s weiter?“

 

***

 

Chamalpopoca schritt hinter den anderen her und beobachtete gebannt das Gesicht des Fremden. Sein Kopf hing nach hinten und der junge Mann sah es verkehrt herum. Er sah so fremd aus, seine Haare waren kurz und sehr hell, ganz anders als bei seinem Volk. Seine Haut war so hell, fast rot an manchen Stellen. Chamalpopoca hatte die alten Steinzeichnungen gesehen, dort gab es eine Szene, in der ihr Gott Pachacamac einen Feind vernichtete. Dieser Feind war ganz weiß gemalt. Vielleicht gehörte er der gleichen Rasse an. Vielleicht gehörte er zu den Feinden seines Gottes. Pachacamac würde sehr zufrieden mit ihnen sein und sie für dieses Opfer reich beschenken.

 

Der Fremde stöhnte und für einen kurzen Moment schlug er die Augen auf und sah Chamalpopoca an. Es war als würde dieser Blick nur ihm gelten. Der Mann schloss wieder die Augen und mit einem weiteren Stöhnen schien er wieder in die Bewusstlosigkeit zu versinken.

 

Vielleicht war es besser so, er musste starke Schmerzen haben. Dieser Blick, er war wie eine Bitte gewesen, eine Bitte um Hilfe. Doch er konnte sich nicht gegen seinen Gott stellen. Er würde geopfert werden und dann würden die Schmerzen des Mannes vorbei sein und Chamalpopoca würde feierlich in die Riege der Krieger aufgenommen werden.

 

Ihr Marsch dauerte nun schon lange und er wusste, sie brauchten nur noch dieses Tal zu passieren und das Dorf würde in Sichtweite kommen. Niemand vermutete in dieser Einöde, dem Land in das sie ihr Gott geführt hatte, eine solche Oase. Cajamarca war etwas besonderes.

 

Eine Quelle versorgte sie alle mit Wasser und auch der Mais gedieh auf den bewässerten Feldern gut. Die Jäger jagten sehr erfolgreich und Feinde kannten sie nicht. Sein Vater hatte immer gesagt, ihr Gott hatte sie in ihr Paradies geführt, frei von allen Feinden. Und doch war sein Vater gestorben als er noch ein Kind gewesen war.

 

Sie erreichten die ersten Hütten des Dorfes und sahen den Stamm in heller Aufregung. Yupanqui hatte einen Boten voraus geschickt. Er wollte keine Zeit verlieren. Das Sonnenfest stand bevor und ein solches Opfer zog eine sorgfältige Vorbereitung mit sich.

 

Chamalpopoca sah nach rechts zum Opferfelsen. Er stand in der Mitte des Dorfes auf einem kleinen Hügel. Direkt dahinter erhob sich der Tempel des Pachacamac. Der Opferfelsen war bereits reich geschmückt und Opfergaben lagen um ihn herum. Die Frauen hatte große Opferschalen mit den Früchten ihrer Felder zusammengestellt und diese mit Federn und Palmwedeln dekoriert. Ihrem Gott würde gefallen, wie viel Mühe sich sein Volk gab.

 

Die Hütten des Dorfes schmiegten sich um das Zentrum, doch vor dem Opferstein war ein großer freier Platz. Hier huldigten sie ihrem Gott. Chamalpopoca warf dem jungen Fremden noch einen kurzen Blick zu, als die vier Träger ihre Last absetzten und den Mann losbanden. Sie brachten ihn in den Tempel, wo sie ihn für die Opferung vorbereiten würden. Er musste rein sein, sonst würde ihn Pachacamac nicht akzeptieren.

 

Seine Schwester Ichma würde sich als eine der Tempelpriesterinnen darum kümmern. Er sah sie selten, seit sie von Yupanqui zum Tempeldienst auserkoren worden war. Ihr Blick war meist gesenkt und wenn sie ihn sah, ging sie in eine andere Richtung. Er sah dem Priester nach, wie er im Tempel verschwand. Er mochte ihn nicht, genauso wenig, wie sein Vater ihn gemocht hatte.

 

Cajamarca war in heller Aufregung, überall bereiteten die Menschen sich auf das Ritual vor. Chamalpopoca schritt zu ihrem Haus, es war eines der größten, schließlich war sein Großvater der Häuptling. Stolz reckte er sich. Die rote Feder in seinem Haar würde ihm zeigen, dass der Sohn seines Sohnes nun ein Mann war.

 

***

 

Ichma betrat den Raum, in den man den Fremden gebracht hatte. Sie hatte von ihrem Herrn die Aufgabe übertragen bekommen, ihn auf die Zeremonie vorzubereiten. Eine Wache befand sich vor dem Vorhang und ließ sie ein.

 

Dort lag er. Sie hatten seine Hände an die Seiten des niedrigen Tisches gebunden, doch Ichma hatte nicht den Eindruck, dass er in der Lage war zu fliehen. Er lag mit geschlossenen Augen still vor ihr und einen Moment verharrte sie, um ihn zu betrachten. Sie war sehr stolz auf ihren Bruder, der durch den Fremden zum Mann geworden war. Der Atem des Fremden ging seltsam schnell.

 

Ichma schritt näher und stellte das Tablett, das sie trug, neben der Bahre ab. Sie musste sich beeilen, Yupanqui wollte bald beginnen. Vielleicht hatte er Angst, dass der Mann bereits vorher starb. Sie sah die blutdurchtränkte Wickel um sein Bein. Es war eine schlimme Verletzung. Behutsam machte sie sich an Werk und entfernte die Wickeln.

 

Der junge Fremde stöhnte und sie versuchte noch vorsichtiger zu sein. Er tat ihr leid, schon seit langem hatte es in Cajamarca kein Menschenopfer mehr gegeben. Doch die letzen Jahre waren schlecht gewesen. Krankheiten und Dürre hatten ihre Opfer gefordert und der Priester hatte immer mehr Macht über das Dorf erlangt.

 

Ichma diente gerne ihrem Gott, aber nicht gerne Yupanqui. Er hatte sie auserwählt und in der Nacht der Erwählung,... sie biss sich auf die Lippen. Er hatte gesagt, sie müsse ihrem Gott ihre Zugehörigkeit beweisen, indem sie ihm, als seinem Boten, willig sei. Voller Scham begegnete sie seitdem ihrer Familie und wich ihr aus. Yupanqui hatte diesen Beweis noch öfter gefordert und würde ihn noch oft fordern, bis er genug von ihr hatte und sich eine neue Priesterin erwählte.

 

Mit vorsichtigen Bewegungen wusch sie den Körper des jungen Mannes. Sie entfernte seine Kleidung und wickelte um seine Hüften ein weißes Tuch. Er war so blass und stöhnte immer wieder. Ichma nahm einen Becher Wasser und zerstieß etwas Nahutl, das würde ihm die Schmerzen nehmen. Vorsichtig flößte sie ihm etwas davon ein, als er die Augen aufschlug.

 

Solche Augen hatte sie noch nie gesehen, sie strahlten und sahen sie direkt an. Die unausgesprochene Frage darin war eindeutig. Er ahnte sicher nicht, was mit ihm passieren sollte. „Wo bin ich?“ Ichma verstand die Laute, die er sprach, nicht. Sie klangen seltsam melodisch für sie und seine Stimme war sehr sanft.

 

Sie fuhr mit den Fingern zu seinem Mund und legte sie darüber. Sie hatte keine Antworten für ihn, es war besser, er wusste es nicht. Sie wusch ihn zu Ende und hatte das Gefühl, dass er jede ihrer Bewegungen verfolgte. Schlaf doch bitte wieder ein, wünschte sie sich innerlich. Doch stattdessen lächelte er sie an.

 

Sie hatte Yupanqui nicht kommen hören und wusste nicht, wie lange er sie bereits beobachtete, doch sein Blick verriet Eifersucht. „Fort mit dir!“ Er machte eine ärgerliche Handbewegung und scheuchte sie fort. Dieses dumme Ding wurde ihm langsam über. Sicher, sie war schön, aber auch widerspenstig.

 

Er wandte sich dem Fremden zu, der ihn misstrauisch beobachtete. Yupanqui nahm einen Becher und trat an das Lager. „Trink.“ Er wollte, dass sein Opfer gefügig war. Dieser Trank würde ihn willenlos alles über sich ergehen lassen.

 

***

 

O´Neill lag hinter der Kuppe eines Hügels und blickte auf den vor ihm liegenden Talkessel hinab. Niemand von ihnen hatte mit einer so üppigen blühenden Oase gerechnet, wie sie sich unter ihnen ausbreitete. Palmenhänge säumten die Westseite und Maisfelder zogen sich terrassenförmig den Osthang hinauf.

 

Das UAV hatte die Gebäude gesichtet und sie auf direktem Weg hier hergeführt. Sie lagen hier bereits seit einer halben Stunde und beobachteten die Siedlung. Ein Dorf konnte man es kaum nennen. In der Mitte erhob sich ein prächtiger 5-stöckiger Tempel im Stil der alten Aztekenpyramiden. Davor schien sich ein Versammlungsplatz zu befinden. Jack hatte ein mulmiges Gefühl, wenn er den großen Stein dort betrachtete.

 

Sie waren sehr schnell zu der Erkenntnis gelangt, dass sie sich den Weg zu Jonas nicht frei schießen konnten und eigentlich war das auch nicht in ihrem Sinne, wenn sie sich die vielen Frauen und Kinder in dem Ort ansahen.

 

Bisher hatten sie Jonas noch nicht entdecken können, aber das Dorf war sichtlich in Aufregung. „Sir, wir kommen niemals ungesehen ins Dorf.“

 

O´Neill antwortete nicht, gebannt sah sich mit dem Fernglas weiter um. Teal´c hatte sich in der Gegend umgesehen und näherte sich ihnen nun.

 

„Sie scheinen von Pachacamac auf diesen Planeten gebracht worden zu sein. Ich habe sein Symbol an der Front des Tempels gesehen.“

 

Jack wandte sich um. „Und, ist das jetzt etwas Gutes?“

 

Teal´c legte den Kopf zur Seite. „Nein, O´Neill, ist es nicht.“

 

„Irgendwelche Ideen?“ Jack wiederstrebte es, Jonas länger in der Hand dieser Leute zu lassen und gleichzeitig wollte er auch kein Massaker. Der General hatte derweil doch Verstärkung geschickt. Sie konnten warten bis diese eintraf, aber er wusste nicht, ob Jonas so viel Zeit blieb.

 

„Teal´c, was weißt du über diesen Pachacamac?“ Sam schien eine Idee zu haben, wenigstens den Ansatz dazu. Der Jaffa wusste nicht allzu viel. „Pachacamac hatte in den Diensten Ra´s gestanden und sich ihm einst widersetzt. Ra hatte darauf ihn und all seine Jaffas vernichtet um ein Exempel zu statuieren.“

 

„Sir, diese Menschen scheinen noch immer an ihren Gott zu glauben, wir könnten das ausnutzen. Wir müssen nur eine gute Schau liefern.“ Sam sah ihren Vorgesetzten unsicher an. Es war eine Schnapsidee, die dort in ihrem Kopf entstand, aber es könnte funktionieren. Sie hoffte nur, dass ihnen genug Zeit blieb, alles vorzubereiten.

 

Teal´c schaute sie verständnislos an, doch O´Neills Grinsen zeigte ihr, dass er verstanden hatte. „T, ich finde du verkaufst dich immer unter Wert, daran sollten wir etwas ändern.“

 

„Sir! Da unten tut sich etwas. Am Eingang des Tempels.“ Sie alle sahen nun zum erstenmal ihren Teamkamaraden wieder. Er wurde heraus getragen und zu dem Stein im Zentrum des Dorfes gebracht.

 

***

 

Jonas fühlte sich nicht gut. Der Mann hatte ihm irgendwas eingeflößt und nun drehte sich alles um ihn herum. Sie hatten seine Hände vor dem Körper mit Lederriemen zusammengebunden und ihn hochgehoben. Jonas hatte versucht, sich zu wehren, doch er war zu schwach. So ließ er die ganze Prozedur resigniert über sich ergehen. Er versuchte all den Tumult, die Rufe und die Schmerzen in seinem Bein zu verdrängen, was ihm nur bedingt gelang.

 

Sie trugen ihn hinaus in das grelle Sonnenlicht und für den Moment war er geblendet. Als er sich daran gewöhnt hatte, sah er neben sich auf der Treppe das Gesicht des jungen Mädchens, dessen Gesicht so traurig ausgesehen hatte. Doch sie trugen ihn weiter zu einem hohen Stein. Er überragte die Männer, die ihn nun langsam aufrichteten und ihn vor den Stein stellten. Nein sie hängten ihn vielmehr, denn einer der Männer schlang ein Seil durch seine an den Handgelenken gefesselten Arme und warf es nach hinten über den Stein.

 

Jonas versuchte auf einem Bein zu stehen, aber immer wieder sackte es weg. Hätten die Männer ihn nicht fest im Griff, würde er sicherlich zu Boden gleiten. Jonas sehnte sich nach Schlaf, eigentlich war der Boden keine schlechte Alternative. Statt dessen riss das Seil seine Arme schmerzhaft nach oben und zog ihn hoch. Seine Füße schwebte nun frei in der Luft.

 

Jonas keuchte. Die Arme begannen ihm bereits jetzt weh zu tun und die Sonne stach ihm in die Augen. Er blinzelte und sah die Männer zurück zum Tempel gehen. Um ihn herum hatte sich das ganze Dorf versammelt. Männer, Frauen und kleine Kinder und alle hatten sie sich mit bunten Federn herausgeschmückt.

 

In Dr. Jacksons Bibliothek hatte er ein Buch über diese Kultur gelesen. Federn waren ein Statussymbol. Dann war der dort hinten wohl sehr wichtig, schoss es ihm durch den Kopf. Erneut überkam ihn Übelkeit. Er machte sich Sorgen, alle sahen ihn so erwartungsvoll an, was sollte denn jetzt passieren?

 

Eine Gruppe Jugendlicher stellte sich ins Zentrum des Kreises. Er nahm von rechts Bewegung war und sah den Priester auf sich zu kommen. Er trug ein Bündel und Jonas entschied gleich für sich, dass er dessen Inhalt gar nicht kennen lernen wollte.

 

Der Priester stellte sich vor ihn und hob beide Arme mit dem Bündel zum Himmel. „Macham hac Pachacamac!“

 

Jonas verstand kein Wort, aber das war auch nicht notwendig, als der Priester die Hände und das Bündel auseinander rissen. Die Sonne brach sich in dem glänzenden Messer, dass er nun in der Rechten triumphierend hochhielt. Die Menge brach in wildes, Jonas unverständlichem, Rufen aus. Immer wieder reckte der Priester das krummgebogene Messer der Sonne entgegen.

 

„Macham hac Pachacamac!“ Der Priester wiederholte seine Beschwörungen und wandte sich dann abrupt zu Ihm um. Jonas konnte seine dunklen, fanatischen Augen sehen und ein zufriedenes Lächeln umspielte seinen Mund. Jonas wusste, dass dieser Mann sein Volk manipulierte und er war Mittel zum Zweck. Jonas hasste es, dem hilflos ausgeliefert zu sein, doch was sollte er tun, gefesselt und schwach wie er war.

 

Jonas Arme schmerzten, sein Fuß pochte und vielleicht würde ihm gleich noch viel mehr weh tun. Der Priester kam immer näher und grinste ihn an, doch nur einen Schritt vor ihm stoppte er und wandte sich wieder der Menge zu. „Menchu Chamalpopoca Huaca!“ Damit winkte er zu der Gruppe junger Männer im Mittelpunkt der Menge.

 

Er wies mit dem Arm auf den Jungen, an den sich Jonas noch aus den Bergen erinnerte. Der Junge trug eine rote Feder in seinem Haar und schien von der Geste des Priesters irgendwie überrumpelt. Zögerlich trat er vor und näherte sich dem Priester.

 

„Tayta Inti a Wichama at Chimapopoca“ Der Priester drehte ihn zu seinem Dorf herum und zog aus seinem Gürtel eine prächtige weißrote Feder, die er triumphierend gen Himmel reckte, um sie dem Jungen dann in den Haarknoten zu stecken.

Dieser lächelte verunsichert, als er mit einem erkennbaren Quentchen Stolz in die Menge blickte.

 

Jonas wusste, er war der Grund für all dies, er war der Preis, den der junge Mann für seine Anerkennung zahlen musste. Doch als der Priester den Jungen umdrehte und Jonas ihm direkt in die Augen sah, wusste er, dass dieser vielleicht 14-jährige Bursche noch einen weiteren Preis zahlen musste.

 

Der Priester drückte ihm den Dolch in die rechte Hand und wies auf sein wehrloses Opfer. „Huaca Pachacamac!“

 

Der Junge sah erschrocken zum Priester und schüttelte den Kopf. Es war etwas anderes jemanden zu fangen, als ihn dann auch noch zu richten. Doch der Priester war unerbittlich und wies mit strenger Hand Richtung Jonas.

 

Der eingeschüchterte Junge drehte sich langsam zu ihm und sah Jonas in die Augen. Jonas wollte etwas sagen, wollte sich wehren, aber sein Geist nahm zwar alles war, doch irgendwas blockierte seine Zunge und jetzt wurde er sich bewusst, dass er auch sonst keine Kontrolle über seinen Körper hatte. Der Priester musste ihm eine Droge eingeflösst haben.

 

Jonas sah wie der junge Mann das Messer anhob und anstarrte und dann wieder zu ihm blickte. Unsicher trat er an ihn heran, doch die Klinge bewegte sich keinen Zentimeter. „Chimalpopoca!“ Dem Priester stand die Ungeduld ins Gesicht geschrieben. Er deutete auf die langsam untergehende Sonne und deutete dem Jungen, sich zu beeilen.

 

Jonas schloss für einen Moment die Augen, soviel Kontrolle vermochte er noch aufzubringen. Als er sie wieder öffnete, stand der Junge vor ihm und hob die Klinge, nur um dann doch wieder innezuhalten. Jetzt schien es dem Priester zu bunt zu werden. Er umgriff das Handgelenk des Jungen und drückte es hoch, so dass die Klinge unweigerlich Jonas Arm kurz unter der Hand traf. Ein sengender Schmerz durchzuckte ihn. Warum wirkte das Zeug nicht wenigstens so gut, dass er nichts spürte? Statt dessen spürte er sogar, wie ihm das Blut den Arm herunterlief. Jonas sah hinauf und entdeckte einen Schnitt quer über seinen Unterarm.

 

Blut – Jonas erinnerte sich an die Aufzeichnungen Dr. Jacksons. Diese Menschen brachten Blutopfer für ihren Gott! Wenn er so überlegte, war er eigentlich gar nicht scharf auf diese Erkenntnis. Sie würden ihn verbluten lassen. So oder so, er würde sterben! Er sah, wie das Blut seinen Arm hinabfloss. Es war nicht so viel wie er erwartet hatte, da der Schnitt unsauber gesetzt worden war, aber es floss herunter und tropfte in eine Vertiefung zu seinen Füßen. Dort sammelte es sich und floss in eine Felsplatte volle eingeritzter Linien, die sich nun blutrot füllten und ein wirres Muster ergaben.

 

„Inti!“ Der Priester bedrängte den Jungen erneut und so gab dieser letztendlich dem Druck nach und hob die Hand mit dem Messer, um einen zweiten Schnitt am anderen Arm zu setzen. Seine Bewegungen waren zögerlich, doch er hatte keine Wahl. Jonas und er blickten sich direkt an und in den Augen lag die Bitte um Verzeihung. Jonas schloss die Augen, den Jungen traf keine Schuld.

 

„Pachacamac!“

 

Jonas riss die Augen auf und blickte nach rechts. Auf den Stufen des Tempels stand das Mädchen von vorhin und sah erschrocken in Richtung untergehender Sonne. Jonas und alle im Dorf folgten ihrem Blick.

 

***

 

„Das funktioniert nie!“ Carter war mehr als skeptisch. Irgendwie war das alles noch nicht überzeugend genug.

 

„Natürlich funktioniert das, Carter, Sie sollten positiv denken. Unser Lieblingsjaffa hier ist ein riesiges Schauspieltalent. Er wurde nur noch nie entdeckt.“

 

„Ich zweifle auch weniger an seinen Fähigkeiten, als an denen des Maskenbildners.“ Sam hob einen der Palmwedel an, die O´Neill gerade angeschleppt hatte. Sie waren sich alle klar, dass die Show eindrucksvoll sein musste, sonst hatte ihr Plan keinen Sinn.

 

„Wir müssen nur dick genug auftragen.“ O´Neill durchwühlte die Ausrüstung, die er am Boden ausgebreitet hatte, während Teal´c mit nicht ganz so guter Laune neben ihm saß.

 

Der Jaffa hatte seinen Oberkörper entblößt und sich aus Verbandsmaterial einige Bänder um Arme und Beine geschlungen. Jack zog eine Dose Signalfarbe aus dem Stapel und manipulierte mit dem Messer an der Düse. Dann platzte die Dose plötzlich auf und der Colonel beeilte sich die Farbe nicht über sich sondern die Palmwedel zu gießen, was ihm mehr oder minder gelang. Das leuchtende Rot verteilte sich über die Wedel und Jack wartete nicht lange und stopfte sie dem Jaffa rechts und links in die Hosenbeine, so dass sie seinen mit Waffenöl eingeriebenen Oberkörper dramatisch umrahmten.

 

Jack trat zurück und besah sich sein Werk, während Teal´c ihn finster anstarrte. Nun ja, sehr überzeugend war das nicht, aber sie hatten zu wenig Zeit. „Carter, sehen Sie mal nach.“  Ihr Plan war so simpel wie gefährlich. Sie würden sich aus der untergehenden Sonne über dem Hügel nähern. Die Sonne im Rücken würde ihren Auftritt als Sonnengott und Gefolge nur unterstreichen.

 

Wenn ihnen die Aufmerksamkeit sicher war, würden sie die Bewohner irgendwie dazu bekommen, Jonas zu ihrem Gott zu bringen. Leider waren sie sich nicht sicher, wie gut ihre Show aus der Nähe wirkte. Erst wenn es sein musste, wollten sie ihre Waffen einsetzen.

 

„Sir! Wir können nicht mehr warten!“ Sams Stimme unterstrich die Dringlichkeit ihrer Aussage noch.

 

„Also gut, Teal´c. Wenn das klappt, fahre ich mit dir nach Hollywood und hole einen Oscar für dich.“ Damit reichte er ihm noch seine Stabwaffe und nahm sich selbst noch eine Taschenlampe aus dem Rucksack. Gemeinsam krochen sie den kleinen Hang zu Carter hinauf. Sam und Jack hatten sich jeweils eine goldschimmernde Rettungsdecke umgeschlungen, damit ihre Uniformen verdeckt waren.

 

„O´Neill! Ich will mindestens zwei Oscars.“ Damit grinste er und stand auf.

 

„Klar! Kriegst du. Carter kriegt einen für das Drehbuch, du für den Hauptdarsteller und ich für das Kostüm.“

 

„Nicht zu vergessen einen für die Regie, Sir!“

 

„Legen wir los“. Jack blickte ins Tal  hinab und sah nun die große Menge Menschen, die sich versammelt hatte. Er zog die Taschenlampe heraus und schaltete sie ein. Er drehte sich zur Seite, wo der Jaffa begann, mit langen Schritten den Hang herab zu marschieren und zielte mit dem Licht auf sein goldenes Emblem an der Stirn. Die Lichtreflexe unterstrichen die von ihnen gewünschte Wirkung noch.

 

Sie hatten beschlossen, die Sonne hinter sich, erst mal die Reaktion der Menschen abzuwarten und so blieb der Jaffa nach wenigen Metern stehen. Von unten musste er eine beeindruckende Erscheinung darstellen. Die beiden Palmwedel wirkten im Gegenlicht fast unwirklich und sehr bedrohlich. Teal´c hob drohend die Stabwaffe über seinen Kopf, während Carter und O´Neill ihn flankierten. Sam würde mit Blend- und Rauchgranaten für die Special Effects sorgen.

 

Unten im Tal jubelten die Menschen immer noch ihrem Priester zu, der mit einer weiteren Person direkt bei Jonas stand. Sie hatten den jungen Kelowianer an einen großen Felsen gebunden und trotz der Entfernung war sich Jack sicher, in den Händen der zweiten Person ein Messer zu sehen.

 

„Sie bemerken uns nicht, der Typ da unten scheint eine tolle Show abzuziehen. Carter, Sie sind dran!“ Damit nickte er ihr zu und Sam zog den Zünder einer Rauchgranate und warf sie einige Meter vor sich. Der gelbliche Rauch waberte in Fetzen vor ihnen und wurde vom Wind zerrissen. Von unten musste dies bei dem Gegenlicht sehr seltsam aussehen mit der schattenhaften großen Gestalt des Jaffa dahinter.

 

Plötzlich veränderte sich die Stimmung unten im Tal. Rufe wurden laut und Jack sah einen Person auf den Stufen des Tempels wild gestikulieren. Er setzte sein Fernglas an, es war wichtig die Stimmung der Leute richtig zu deuten. Das Mädchen auf den Stufen hatte Panik in den Augen. Jack schwenkte nach links zu Jonas und dem Priester und fluchte innerlich, als er das viele Blut an Jonas linkem Arm entdeckte. „Los Carter, Szene zwei wartet!“

 

Sam zog eine weitere Granate und holte weit zum Wurf aus, damit sie direkt an der Talsohle ihr Potential entlud. Die Menschenmenge schrie bei dem Knall der Blendgranate erschrocken auf und einzelne flüchtete kopflos. Doch die meisten waren wie erstarrt. Jack fokussierte den Priester, er war ihr schwierigster Gegner, kannte er sich doch sicher auch mit solchen Täuschungen aus. Ein aufgeblasener Kerl, wie er dort stand, aber die Granate hatte auch ihn verunsichert. „Los, Teal´c!“

 

Sie wussten leider nicht, welche Sprache die Menschen benutzten, daher wollten sie mehr mit Gesten arbeiten. Aber vielleicht konnten diese Menschen noch ein wenig Goa´uld verstehen, oder sie zumindest als Sprache der Götter identifizieren.

 

„Jaffa Kree!!!! Pachacamac!!!“ Teal´c brüllte so laut er konnte und seine Stimme donnerte das Tal hinab, während er gleichzeitig seine Stabwaffe aktivierte. Sam hatte derweil ihre Zat gezogen und schoss auf eine kleinen Felsen vor ihnen. Die Lichtblitze umzuckten den Stein.

 

Jack beobachtete die Szene genau. Auch Jonas blickte zu ihnen herüber, schien aber nicht wirklich zu verstehen was um ihn herum geschah. Viel interessanter war der Junge neben ihm. Er hielt das blutüberströmte Messer in seiner Hand und in seinen Augen stand Panik. Jack schätzte ihn auf maximal 15 Jahre. Er sah immer wieder zu ihnen und dann wieder zu seinem Priester. Der wiederum schien skeptisch. Doch was sollte er tun, wenn sein Gott auftauchte, er konnte Teal´cs Erscheinung nicht ignorieren.

 

Er wandte sich an sein Volk und sein Ruf drang bis zu ihnen den Hang hinauf. Er gestikulierte wild und die Menge begann sich hinzuwerfen und sich vor Pachacamac oder vielmehr seinem Boten zu verneigen, wie Jack es damals mit Kasuf auf Abydos erlebt hatte.

 

„Es scheint zu funktionieren, Sir!“

 

„Jetzt müssen wir ihnen nur noch klar machen, dass sie Jonas hier herauf bringen sollen.“ Sie wussten, dass dies der schwierigste Teil sein würde. Sie konnten nicht näher, weil diese Menschen sonst ihr ungöttliches Aussehen erkennen würden, sie sprachen ihre Sprache nicht und mussten daher mit Gesten arbeiten.

 

Teal´c streckte seine Arme und rammte dann seine Waffe in den weichen Sand, er hob die Arme erneut und hielt sie weit vor sich gestreckt, als wartete er darauf, dass man ihm Jonas in die Arme lege. „Kree!!! Pachacamac!!“

 

Für einen Moment geschah nichts und Jack nahm das Fernglas wieder hoch.

 

***

 

Chamalpopoca blickte voller Angst auf die Erscheinung. Er musste blinzeln um gegen das starke Sonnenlicht überhaupt etwas zu erkennen.

 

So etwas hatte er noch nie gesehen. Rauch quoll aus der Erde, doch er sah kein Feuer. Blitze zuckten wo keine Wolke war. Pachacamac hatte das Wesen gerufen. Der Junge wusste von seinem Großvater, dass ihr Gott groß und mächtig war, vielleicht war er endlich zurückgekehrt. Sein Opfer hatte ihn so geehrt, dass er wieder erschien und sein verlassenes Volk erhörte. Chamalpopoca sah sich zu seinem Volk um, dass in Ehrfurcht erstarrt war und dann zu seiner Schwester Ichma, die sich auf die Stufen gesenkt hatte und vor ihrem Gott verneigte.

 

Yupanqui rief seinem Volk auf, dem Beispiel der Tempelpriesterin zu folgen und dem Gott zu huldigen, doch Chamalpopoca sah auch Zweifel in den Augen seines Priesters. Er sah noch mal in Richtung Sonne. Welchen Zweifel sollte es geben? Die Gottheit ließ erneut fremdartige Laute erschallen und rief den Namen ihres Gottes aus.

 

Er breitete seine Arme aus und schien zu warten, aber worauf? Woher sollte sein Volk wissen, was er von ihnen erwartete? Er sah zu Yupanqui, der die Sprache der Götter sprechen musste, doch in dessen Augen sah er nur Unverständnis. Der Priester reagierte nicht auf die Worte seines Gottes. Welch ein Frevel, dachte sich Chamalpopoca. Wie konnte er zögern?

 

Ein erneuter Knall ließ ihn zusammenzucken. Wieder schlugen Blitze ein und er bekam Angst. Was, wenn sie ihren Gott erzürnten? Chamalpopoca sah hilfesuchend zu seinem Großvater Wichama, dem Häuptling. Er war einer der Ältesten, er würde wissen was zu tun war. Auch sein Großvater hatte seinen Blick gesucht und nickte ihm aufmunternd zu. Nun wusste er was zu tun war, er musste seinem Gott das Opfer selbst darbringen.

 

Er wusste nicht, ob sein Gott ihn dafür belohnen wollte, aber er würde den Mann hinter ihm zu Pachacamac bringen. Chamalpopoca wandte sich um und hob das Messer um die Fesseln zu durchtrennen. Der junge Mann war sehr blass und sah ihn aus müden Augen an. Er würde zu seinem Gott gehen, welch größere Ehre gab es für einen Menschen? Er setzte das Messer an den Seilen an, als ihn plötzlich Yupanqui zurückhielt.

 

„Na Huatl Tacmacha Pachacamac.“ Wie konnte der Priester an den Worten ihres Gottes zweifeln? Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich sein Großvater durch die Menge auf sie zu schob. Auch seinen Schwester näherte sich dem Opferstein. In den Augen des Priesters stand Panik, warum nur? Es war doch etwas Gutes, dass ihr Gott erschienen war.

 

Chamalpopoca nahm allen Mut zusammen und riss sich los. Yupanqui würde vielleicht nie wieder seine Schwester berühren, wenn dies vorbei war. Vielleicht konnte er seinen Allmacht mit Hilfe seiner Familie und seines Gottes durchbrechen. Yupanqui würde sie sonst alle mit seinem Verhalten noch ins Unglück stürzen.

 

Er wandte sich wieder um und setzte das Messer erneut an. Mit einer schnellen Handbewegung durchtrennte er die Fesseln und fing den Mann in seinen Armen auf. Er war schwer und Chamalpopoca  sank mit ihm zusammen in die Knie. Er würde das alleine nicht schaffen. Plötzlich war seine Schwester Ichma neben ihm und griff nach den Beinen des Mannes. Er würde nicht gehen können, aber selbst zu zweit war es kaum möglich ihn den Hang hinauf zu tragen.

 

„Huaca machahuatl!“ Sein Großvater riss zwei von Chamalpopocas Weggefährten an den Armen hoch und stieß sie in Richtung des Opfersteines um ihnen zu helfen. Doch die beiden starrten nur angsterfüllt zu dem wütenden Priester. Yupanqui hatte ihr Volk fest im Griff, es würde nicht leicht sein, gegen seinen Willen zu handeln.

 

***

 

Jack beobachtete die Szene genau und versuchte zu verstehen, was dort unten vor sich ging.

 

„Sir? Funktioniert es?“

 

„Sieht so aus, aber ich hoffe, die überlegen nicht mehr so lange. Teal´c? Würdest du von hier aus den Priester treffen ohne jemand anderen zu verletzen?“

 

Der Jaffa legt den Kopf schräg. „Das ist ein schwieriger Schuss, O´Neill! Aber nicht unmöglich.“

 

„Halte dich bereit, ich glaube der Kerl wird noch Ärger machen.“ Jack verfluchte die Untätigkeit, zu der sie im Moment verdammt waren.

 

Der Junge und das Mädchen vom Tempel versuchten gemeinsam Jonas anzuheben und in ihre Richtung zutragen. Ein hoffnungsloses Unterfangen, doch er konnte nicht eingreifen. Der Priester beschimpfte die beiden und fuchtelte mit seinem Medizinfedernstab wild in der Luft herum. Wenn er klug war, spielte er mit und zog später seinen Nutzen aus dem Erscheinen seines angeblichen Gottes, doch Jack glaubte nicht daran.

 

„Sir, die Sonne wird auch irgendwann untergehen und dann ist das Bühnenbild hinüber.“ Sam blickte besorgt in das Tal.

 

„Dann hoffen wir auf die Special Effects!“ Jack sah sich zur Sonne um. Die Zeit rannte ihnen tatsächlich davon. Er hob das Fernglas an. Da unten schien ein Streit entbrannt zu sein. Ein reich geschmückter alter Mann schien den Priester zu beschimpfen und redete gleichzeitig auf sein Volk ein. Doch der Priester hatte dieses Dorf fest im Griff und so rannten einige der kräftigeren Männer los, um sich anscheinend zu bewaffnen. Sie kamen mit Speeren und Bögen zurück und nahmen am Fuße des Hügels drohend Aufstellung.

 

„Teal´c – erschrecke sie ein wenig!“ Sekunden später feuerte der Jaffa drei Warnschüsse vor die Füße der Krieger, die daraufhin in alle Richtungen auseinander stoben. Für sie musste es sein, als wäre der Zorn Gottes direkt auf sie herabgefahren. Einige flüchteten sich in die ebenfalls aufgebrachte Menge, andere zu Füßen des Opfersteines. „Das sollte ihren Übermut etwas bremsen.“

 

Jack richtete seinen Blick wieder auf den Priester und den alten Mann, wer von den beiden würde sich behaupten?

 

***

 

Cajamarca war ein friedlicher Ort gewesen. Wichama war noch ein kleines Kind gewesen, als sie das letzte Blutopfer ihrem Gott dargebracht hatten. Wichama erinnerte sich noch gut an den Schmerz und die Verzweiflung in den Augen der Mutter des jungen Opfers.

 

Nie wieder wollte er das mit ansehen, hatte er sich geschworen. Doch dann hatte Yupanqui immer mehr Macht erlangt und alle im Dorf beeinflusst. Wichama dachte voller Trauer an seinen Sohn. Er hatte so gehofft, er würde einmal die Geschicke des Dorfes lenken, doch er hatte sich immer wieder mit Yupanqui angelegt. Zu oft.

 

Wichama konnte es nicht beweisen, aber er war sich sicher, dass der Priester seine Hände im Spiel hatte, als sein Sohn in der Wüste gestorben war. Auch danach hatte Yupanqui keine Ruhe gegeben und alle Macht an sich gerissen. Die meisten im Dorf vertrauten ihm blind, ihnen fehlte die Weisheit des Alters. Doch Wichama wusste, welch falsche Schlange sie an ihrer Brust nährten. Er hatte nichts unternehmen können, als Yupanqui seine Enkelin an sich riss, aber nun ging er zu weit. Er riskierte die Sicherheit seines Volkes, seiner Familie. Noch war er, Wichama, der Häuptling dieses Volkes!

 

Yupanqui hatte fassungslos beobachtet, wie seine Krieger von Pachacamac oder seinem Boten bestraft wurden. Bald würde ihr Gott das Feuer des Zorns über das ganze Volk Cajamarcas entzünden und ihr Priester war wie versteinert. Wichama sah wie seine Enkelkinder verzweifelt versuchten, das Opfer den Hang hinauf zu tragen. Doch die Last war zu schwer für sie. Chamalpopoca durfte zwar sein Haar jetzt Knoten wie ein Mann, aber trotzdem zählte er erst 14 Sonnenwenden, ihm fehlte die Kraft.

 

Doch niemand aus seinem Volk traute sich ihnen zu helfen, nachdem Yupanqui es ihnen verboten hatte. Wichama war stolz auf seine Nachkommen und ihren eigenen Willen. Chalapopoca würde einmal ein großer Führer seines Volkes werden. Doch jetzt musste er ihm helfen!

 

„Mhiut Huaca machahuatl“ Wichama rief die Aufforderung nicht mehr als Bitte sondern als Befehl. Wütend sah er die verängstigten Jungen an und scheuchte sie mit einer Handbewegung auf. Er war der Häuptling und solange er noch einen Atemzug übrig hatte würde er seinem Gott dienen und gehorchen. Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung war und gewahrte Yupanqui, der sich beeilte vom Opferaltar herab zu steigen. Alles in Wichama bereitete sich auf die Konfrontation vor, er war alt, aber er würde sein Volk beschützen.

 

Wichamas Hand ballte sich um seinen Häuptlingsstab, als er sich Yupanqui in den Weg stellte. „Yupanqui! Huqui taca!“ Er würde die jungen Männer nicht länger beeinflussen.

 

Der Priester lächelte nur selbstgefällig, zu oft hatte er ihn im Machtduell besiegt, das ließ ihn auch jetzt siegessicher bleiben. Doch der alte Häuptling hatte nicht vor, ihn dieses Mal damit durchkommen zu lassen. Er schwang seinen Stab hoch über den Kopf und ließ sein Ende in Richtung Yupanqui rasen.

 

Der Priester war völlig überrascht von dieser Aktion und sah ihm mit erschreckten Augen entgegen. Der Stab traf ihn am federbeschmückten Hinterkopf und streckte ihn zu Boden. Wichamas Volk schrie entsetzt auf, doch es mischte sich nicht ein, dessen war er sich sicher. Dieser Machtkampf brodelte schon lange zwischen ihren Führern und würde hier und jetzt beendet werden.

 

Yupanqui schüttelte benommen den Kopf und zog sich auf die Knie. Seine rechte Hand wanderte an den Kopf und als er sie anschließend betrachtete, klebte Blut an seinen Fingern. Sein Blick wanderte zum alten Häuptling und schien Fassungslosigkeit ob dessen Mut und Kraft auszudrücken und dann wandelte sich sein Antlitz in eine wütende Fratze. Wichama wusste, er musste dies zu Ende bringen, musste den Vorteil der Überraschung nutzen solange wie möglich, denn in einem richtigen Zweikampf wäre er dem 30 Jahre jüngeren Mann unterlegen.

 

Er schwang erneut seinen schweren Stab und ließ ihn auf den Priester niedersausen, der verzweifelt versuchte, auszuweichen.

 

***

 

„Hey, der Alte gefällt mir.“ Jack beobachtete die Situation genau. Der herausgeputzte Pfau von Priester kniete am Boden und wich dem nächsten Schlag des Alten aus. Während die beiden ihren Kampf ausfochten, mühten sich die beiden Kinder, Jonas den Hang hinauf zu tragen. Ihr Blick wanderte dabei ängstlich zwischen Jacks Team und dem Kampf hin und her, was ihr Tempo nicht gerade beschleunigte. „Verflucht!“

 

„Sir! Das dauert zu lange!“ Jack sah wie sich der Priester erhob und dem alten Mann einen schweren Stoß versetzte, der ihn zu Boden gehen ließ. Die Menschen um die Kämpfer waren wie erstarrt. Ihr Plan würde erst erfolgreich sein können, wenn dieser Kampf beendet war und vielleicht war es Zeit, ihre göttliche Macht auszunutzen.

 

„Teal´c! Visier ihn an!“ Jack sah wie der Priester ein glänzendes Messer in den Händen hielt und mit zornigem Blick auf den alten Mann hinab starrte. Dieser hatte keine Chance gegen den viel kräftigeren Mann, Jack schätzte ihn auf knapp 80 Jahre. Am Anfang war der Priester zu überrascht gewesen, aber jetzt hatte er Oberhand und Jack zweifelte nicht daran, dass er den Alten töten würde.

 

„Jetzt!“

 

Die Stabwaffe des Jaffa entlud sich donnernd und die Energie fand ihr Ziel. Der Schuss traf den Priester direkt vor die Brust, als er das Messer zum Stoß erhoben hatte und warf ihn zurück. Für die Einwohner des Dorfes schien es, als würde der Zorn Gottes ihn für sein ungebührliches Verhalten zerschmettern. Das hoffte Jack zumindest. „Guter Schuss, T!“

 

Der alte Mann, Jack war sich sicher den Häuptling oder so etwas ähnliches vor sich zu haben, erhob sich und starrte auf den noch immer qualmenden Leichnam herab. „Nun mach schon, alter Mann!“ Als hätte er ihn gehört wandte er sich um und starrte in seine Richtung. Jack hatte das Gefühl, der Mann durchschaute sie, er konnte die zweifelnden Gedanken bis hier spüren, aber zugleich wusste er, dass sie gewonnen hatten.

 

Wie zur Bestätigung hob der Häuptling seine Arme und gestikulierte seinem Volk zu. Jack hörte erneut die fremde Sprache und die Eindringlichkeit und Autorität in der Stimme. Vier der jungen Männer eilten zu Jonas und hoben seinen Körper an, um ihn den Hang hinauf zu tragen.

 

Alles in Jack drängte danach ihnen entgegen zu eilen, doch sie mussten ihre Rolle zu Ende spielen. Jonas hing schlaff in den Armen der Männer, als sie kurz vor Teal´c ängstlich verharrten und den jungen Kelowianer ablegten. Das jungen Mädchen war noch immer bei ihnen und während die anderen sich voller Angst zurückzogen, blieb sie neben ihm sitzen und presste weiterhin ihre Hand auf seinen stark blutenden Arm. Auch sie musste all dies ängstigen, aber das Leben in Jonas zu bewahren war ihr wichtiger, als ihre Furcht.

 

„Alles klar, Teal´c! Hol ihn dir und verschwinde, wir decken den Rückzug.“ Jack nickte Sam zu und beobachtete wie sich der Jaffa langsam dem Mädchen näherte. Die Furcht in ihren Augen wuchs, doch Teal´c bewegte sich vorsichtig, um sie nicht zu sehr zu erschrecken. Sie senkte ehrfürchtig den Kopf und Teal´c schob beide Arme unter den schlaffen Körper des jungen Mannes. Das Mädchen bewegte sich nicht und wartete, bis der Jaffa einige Meter zurückgewichen war und sich umdrehte. Sie hatten vereinbart, dass er sich hinter den Hügel zurückzog und dort auf die anderen wartete. Der Blick des Mädchens und auch die anderen Dorfbewohner verfolgten jede seiner Bewegungen, bis er hinter der Kuppe verschwunden war.

 

„Alles klar, Carter, jetzt Sie!“ Carter zog sich mit langsamen Schritten zurück. Nun waren nur noch Jack und das Mädchen auf dem Hügel. Beide sahen sich stumm an und Jack erkannte, dass das Mädchen sehr wohl verstand, was hier vor sich ging. Aber wie der alte Mann hatte sie es zugelassen. Sie würde ihre Gründe haben und es war nicht an Jack, diese herauszufinden. Mit langsamen Schritten zog auch er sich hinter die Kuppe zurück.

 

Teal´c und Carter versorgten Jonas bereits, der blass zwischen ihnen lag. Sam schiente und verband sein Bein, während der Jaffa versuchte die Blutung am Arm zu stillen. „Wie geht es ihm?“ Eigentlich hätte es der Frage nicht bedurft, es war zu offensichtlich.

 

„Er hat viel Blut verloren, Sir! Wir sollten uns beeilen.“ Sie zog ihre Uniformjacke aus und legte sie um die Schultern des Verletzten. Jack zog sich die Rettungsdecke von den Schulter und reichte sie Teal´c, der Jonas vorsichtig darin einwickelte und anhob. Ihnen stand noch ein weiter Weg bevor und das fehlende Tageslicht würde das nicht einfacher machen. Sam packte den Rest ihrer Ausrüstung zusammen, während Jack sich noch einmal umwandte und über die Hügelkuppe in das Tal blickte.

 

Das Mädchen hatte ihnen den Rücken zugekehrt und ging den Hang hinab. Jack nahm das Fernglas und besah sich die Szene genauer. Der alte Häuptling stützte sich auf den jungen Mann, der zuvor Jonas töten sollte und gemeinsam schritten sie der jungen Frau entgegen. Als sie einander erreichten und umarmten lag soviel Erleichterung in dieser Geste, dass Jack sie selbst auf diese Entfernung hin spürte.

 

***

 

Sie hatten Jonas in sichere Entfernung gebracht, hielten es aber nachher für sinnvoller auf die Verstärkung zu warten. In der Dunkelheit war es unmöglich einen sicheren Pfad zum Stargate zu finden, also schlugen sie ein Lager auf und versuchten es Jonas so angenehm wie möglich zu machen. Sie hatten ihre Zelte im Camp gelassen und nur das nötigste dabei. Die nächste wurden hier in der Wüste sehr kalt und so hatten sie trotz der Gefahr eines Überfalls ein Feuer entzündet, um sich zu wärmen.

 

Sie hatten Jonas mit ihren Jacken zugedeckt und unter der silbrigen Rettungsdecke in ihre Mitte genommen. Die Verstärkung würde in Kürze eintreffen und Sanitätspersonal mitbringen. Da sie vorher schon wussten, dass Jonas sich ein Bein gebrochen hatte, würden die Männer auch eine Trage mit sich führen. SG-1 musste also nur warten und dafür Sorge tragen, dass Jonas durchhielt.

 

Sam rieb sich die Arme, um die Kälte zu vertreiben. Teal´c hatte außerhalb des Feuerscheins die erste Wache übernommen, während der Colonel auf der anderen Seite von Jonas saß. Der Blick ihres Vorgesetzten war nachdenklich in die Ferne gerichtet. Bevor sie sich weitere Gedanken machen konnte, stöhnte Jonas zwischen ihnen auf und schlug die Augen auf.

 

„Jonas?“ Sam legte ihre Hand beruhigend auf seine Schulter. „Wie fühlst du dich?“

 

„Ich...“ Er schluckte und hustete etwas krächzend. Sam kannte das Gefühl, wenn einem die eigene Stimme fremd vorkam. „Mir ist kalt!“

 

„Das liegt am Blutverlust. Die Sanitäter sind bald da, dann wird es besser! Hast du Schmerzen?“

 

Jonas schien einen Moment in sich hinein zu horchen. „Nein!“

 

„Versuch zu schlafen, Jonas.“ Der Colonel schmiss noch einen weiteren knorrigen Ast ins Feuer. „Morgen liegst du in einem warmen flauschigen Bett und lässt dich von Janet bemuttern. Bei solchen Aussichten könnte man fast neidisch werden!“

 

Sam grinste ihren Vorgesetzten an und sah aus den Augenwinkeln ein Lächeln auf Jonas Gesicht. Daraufhin schloss er die Augen und schien fast sofort einzuschlafen. Er hatte Glück gehabt, viel Glück!

 

„Und, Carter? Welches Kleid ziehen Sie an?“ Sam sah irritiert zu ihrem Vorgesetzten. Ihr viel beim besten Willen nicht ein, worauf er hinaus wollte, was ihr Gesicht wohl auch zu deutlich verriet. „Zur Preisverleihung! Ich habe T doch einen Oscar versprochen und ich dachte mir...“

 

Jack begann die Verleihung detailliert und ausschweifend zu beschreiben. Er vergaß kein Detail, keine Kleinigkeit und Sam schloss die Augen, um sich entführen zu lassen. Ja, sie würde ein Kleid tragen, eines bei dem Jack die Spucke weg bleiben würde. Sie sah ihn regelrecht vor sich mit offenem Mund!

 

***

 

Sie hatten den Leichnam Yupanquis vor den Opferstein gelegt und mit Blüten und Palmwedeln bedeckt. Der Tod des Priesters war für das Dorf wie eine Erlösung. Man spürte es überall, die Menschen fühlten sich befreit. Auch Wichama fühlte sich als wäre ihm eine großen Last von den Schultern genommen. Er hatte seine Familie, sein Volk wieder.

 

Noch waren alle aufgeregt und geschockt, schließlich war ihnen ihr Gott erschienen. Wichama glaubte nicht daran. Er hatte zwar alte, aber noch immer sehr wache Augen. Diese Wesen kamen nicht von Pachacamac, auch wenn er nicht wusste, woher sie stammten. Vielleicht waren sie durch das Huaca gekommen, das einst auch sie hier hergebracht hatte. Es gab viele Legenden darüber, die die jungen Leute meist gar nicht mehr kannten.

 

Ichma und Chimalpopoca saßen mit ihm am Feuer vor ihrer Hütte und redeten aufgeregt miteinander. Aber manchmal wurde Ichma ganz still. Sie war nicht viel älter als ihr Bruder, aber wesentlich reifer. Sie hatte unter dem Priester leiden müssen und viel Schmerz erlebt, den man in ihrem Gesicht lesen konnte. Trotzdem hatte sie sich entschieden, auch weiterhin im Tempel zu dienen. Sie war den Wesen auf dem Hügel ganz nah gewesen und hatte an diesem Abend bereits oft dorthin zurück geblickt.

 

Wichama würde seinen Enkel bitten, eine Steele zu errichten und die Geschichte des Gottes Pachacamac und seiner Boten dort für alle Generationen zu verewigen. Sein Enkel musste noch viel lernen, bevor er die Geschicke des Dorfes übernehmen konnte, aber Wichama wusste, er würde mit Ichma eine Tempelpriesterin an der Seite haben, die ihn weise beriet.

 

„Wichama hatucoca!“ Chimalpopoca wies auf den Himmel über der Bergkuppe, an der ein Licht der Götter der Erde entgegenraste. Der Schweif zog sich lang über den Himmel und erlosch dann unweit des Dorfes. Ein Zeichen, da war sich Wichama sicher, ein Zeichen seines zu früh gestorbenen Sohnes. Der alten Mann beugte sich zufrieden zurück. In ihren Legenden wurde erzählt, dass die Toten so die Lebenden grüßen, nachdem ihr Gott sie in sein Himmelreich aufgenommen hat. Der alte Häuptling lächelte zufrieden und warf einen weiteren Ast in das glimmende Feuer, nicht wissend, dass die Fremden nur wenige Hügel entfernt das gleiche taten.

 

Ende